Freitag, 6. Oktober 2006

deutsche leidkultur

wer im glashaus sitzt, der sollte nicht mit steinen werfen, schon klar. ich weiss, dass ich selber in einem bundesland lebe, für das ich mich aufgrund seiner intoleranz, seiner totalitären regierung und seiner bayuwarischen stammtisch-proleterei nicht selten in grund und boden schäme. doch dass andere bundesländer versuchen, den bayern den rang abzulaufen, war mir bislang neu. oder wie soll ich das interpretieren, was sich derzeit in hessen abspielt?

das klima wurde rauher und die stimmung bedrohlicher seit hessenhitler ministerpräsident roland koch das hessische ruder in der hand hat. zu spüren zuletzt am donnerstag bei einer studentischen demonstration gegen die verabschiedung der studiengebühren in wiesbaden. natürlich vermummt und anonym ging die staatliche prügelgarde heldenhaft auf unsere ach so gewaltbereiten und angsteinflößenden studenten los, haute blindlings drauf und prügelte die schwerverbrecher besinnungslos.

die medlung in der heutigen zeitung brachte mein hessisches verständnisfass dann gar zum überlaufen. im 30.000-einwohner-städtchen dietzenbach, südlich von frankfurt am main gelegen, bringt die cdu-fraktion einen antrag ins stadtparlament ein, der die integration zum kinderspiel machen soll. in den städtischen kindergärten dietzenbachs soll an zentraler stelle die deutsche flagge sowie das bild des bundespräsidenten aufgehängt werden. zudem soll deutsch die einzig geduldete umgangssprache sein. fast ein drittel der dietzenbacher sind übrigens migranten, der deutschen sprache leider nicht im geringsten mächtig. man verdammt die migrantenkinder durch die verbotene kommunikation in ihrer muttersprache somit zur sprachlosigkeit. doch macht nichts: durch die deutschlandfahne und das porträt des bundespräsidenten wird das deutsche kulturgut ja zur genüge vermittelt, um die stumme integration in ein autoritäres regime angemessen zu beschleunigen. welch vorbildcharakter. herzlichen glückwunsch, hessenländle.
Knurrunkulus (Gast) - 6. Oktober, 19:56

Ei verbibbsch. Und das soll wirklich wahr sein?

Dann würde sich ja wieder jener Spruch bewahrheiten, welcher da besagt: "Sachen gibt's, die gibt's gar nicht!" Und der Hund Marie würde dazu begleitend singen: "Die Stimmung ist verwirrend, ich habe Angst ich werde krank!"

Im vermaledeiten Koch-Universum würde das aber kaum ankommen.

ela (Gast) - 6. Oktober, 20:12

Ich habe bis vor kurzem in Dietzenbach gelebt 3 Jahre lang und so einiges miterlebt dort, ich kann die Stadtherren in Dietzenbach da schon recht gut verstehen das sie durchgreifen wollen und müßen.
Denn wenn du siehst das alle guten Ideen der Menschen dort um Integration von den Bewohnern im Starkenburgring, mit Gewalt boykottiert wird, das die Polizei fast wöchentlich mit Helis dort anfliegen muß, Polizei aus der Umgebung angefordert wird um die Gewalt in den Griff zu bekommen, dann sollte was passieren.
Und sorry ich kann immer noch nicht unterstützen das die 4 Generation kein Deutsch kann bzw lernen will.
Das ein Foto und eine Fahne nicht den wichtigesten Punkt ausmachen ist logisch,und wird auch sicher nicht das einzige sein.

herr axel (Gast) - 7. Oktober, 01:41

sicher ist es leicht, sich eine meinung zu bilden über eine situation, die einen selbst nicht direkt betrifft. doch seien mir zwei anmerkungen erlaubt:

welche problematische situation ist durch den (meist alles andere als friedfertigen) einsatz der polizei je gelöst worden? die grundsätzliche diskussion um die legitimation von gewalt uniformierter menschen gegenüber der zivilisation sei hier mal absichtlich unbeachtet gelassen.

in diesem meinem leben habe ich noch nie unter dem umstand gelitten, dass andere menschen meiner sprache nicht mächtig sind. sind menschen automatisch gefährlich/lästig/angsteinflößend, nur weil sie eine andere sprache sprechen? ich hatte bislang vielmehr probleme mit menschen, die meine sprache sehr wohl beherrschten. meistens in einem amtsdeutsch, das meine artikulation satt trumpfte.
ela (Gast) - 7. Oktober, 08:20

Ok ich bin schon mal nicht verstoßen worden :-)

Im Ernst mit Gewalt löst keiner jemals einen Konflikt, völlig egal welcher Landsmann das ist, da sind wir uns einig.
Schade ist es aber das die Menschen die integriert werden sollen das nicht nutzen, und das Warum würde mich interessieren.
Ebenso schade das Menschen sich abgrenzen, bewußt, und Mitbewohner im Stadtteil drangsalieren und schlecht behandeln, so das die Polizei eingreifen muß.
Und in der Ecke ist es wirklich heftig.
Ich denke schon das man seinen in D geborenen Kindern mehr mitgeben sollte als dumme Sprüche und eine schlechte Aussprache.
Gern sollen Kinder mit beiden Sprachen aufwachsen aber bitte bei richtig und nicht so ein *kauderwelsch*
Keiner muß heute sprachlos sein wenn er es nicht will.
Amtsdeutsch ist keine Sprache das ist eine Zumutung :-)

herr axel (Gast) - 7. Oktober, 17:43

also verstossen wird hier sicher keiner so leicht, liebe ela. erst recht nicht, wenn er einfach nur seine meinung äussert. ich denke, wir sind uns einiger als wir denken. ich finde es einfach nur völlig unwichtig, welche sprache ein mensch spricht und sehe integration wahrlich nicht als das wichtigste ziel an, welches es im bezug auf unsere ausländischen freunde zu erreichen gilt. dass es natürlich überhaupt nicht geht, dass mitbewohner von anderen menschen drangsaliert werden, sehe ich genauso. und selbstverständlich gilt das für "beide seiten".
ela (Gast) - 7. Oktober, 18:48

Wir mögen uns da sicher auf bestimmte Punkte einigen können :-)
Ich beobachte nur schon seit vielen Jahren dieses Phänomen, Bildung wird angeboten aber nicht angenommen, das ist etwas was mich wirklich ärgert.
Auch im Ruhrgebiet wo ich die 33 Jahre gewohnt habe und die letzten 5 jahre in einem Streifen von GE wo 90% Ausländer vornehmlich Türkische beheimatet sind, war es nicht anders.
Die einen wollen und die anderen eben nicht, dumm nur wenn die die nicht wollen den anderen damit Schaden.
Was ein Satz na du wirst wissen was ich mein :-)

neolog - 10. Oktober, 11:01

Na sowas. So wenig bekomme ich noch mit. Die Studienproteste habe ich vernommen, Schlägereien wurden nicht gemeldet (oder ich war gerade abwesend). Hmm... Zensur?
Wir sind uns ja einig, dass Menschen, die gegen die Einführung von Studiengebühren demonstrieren, nicht geschlagen werden sollten. Und auch, daß Gewalt nicht dazu neigt, Standpunkte zu verdeutlichen, sondern nur ein Ende der Kommunikationsfähigkeit.

Um die Kommunikationsfähigkeit geht es aber auch in Dietzenbach. Die Sinnhaftigkeit mit der Fahne und dem Bild des Bundespräsidenten sei mal dahingestellt. Mal ganz ehrlich: Kein Kind fühlt sich meiner Meinung nach davon gestört, wenn im Kindergarten ein alter Mann von der Wand guckt. Und bis die Kinder verstehen, wer der alte Mann ist, ist der auch schon wieder weg, weil sie bis nach der Grundschule brauchen, um ansatzweise politisches Interesse zu entwickeln.
Wenn die deutsche Fahne dazu beiträgt, dass sich Menschen (egal, ob sie nun von diesem Wortmonster des Migrantenhintergrunds betroffen sind oder nicht) mehr mit ihrem Heimatland identifizieren, bitte schön. So lange auch andere Dinge an der Wand hängen dürfen und man auch damit rechnet, daß die Fahne vielleicht ein wenig in Mitleidenschaft gezogen wird, wenn im Kindergarten gespielt wird, soll es mir recht sein.

Was Deutsch als alleinige Sprache angeht, dann denke ich da was ähnliches wie bei der Herbert-Hoover-Schule in Berlin. Es ist sinnvoll, wenn Kinder wenigstens einen Ort haben, wo sie mehr oder weniger gezwungen sind, Deutsch zu sprechen. Eine Sprachlosigkeit durch Bevormundung befürchte ich da, ehrlich gesagt, nicht, ganz im Gegenteil. Die Kinder in den Kindergärten werden ja eher dazu angehalten, vor ihrem offensichtlich ja nicht-deutschsprachlichen Hintergrund eine weitere Sprache, in dem Fall die ihrer anzunehmenden Heimat, zu lernen neben der Sprache, die sie hoffentlich mit ihren Eltern sprechen. Wenn die Eltern ihren Kindern überhaupt eine Sprache beibringen.
Es gibt immer wieder Fälle von Kindern, die keinerlei Sprache richtig beherrschen, wenn sie in die Grundschule kommen. Unabhängig davon, ob die Eltern oder Großeltern aus einem anderen Land kommen oder aus Bayern. Es spricht nichts dagegen, Kindern im Kindergarten eine Sprache beibringen zu wollen.

Also: Bringt es mehr Integration, wenn man zusieht, daß Kinder sich untereinander nur Gruppenweise unterhalten können? Oder ist es vielleicht förderlicher, wenn Kinder neben ihrer Sprache auch eine gemeinsame Sprache haben?

PS. In Dietzenbach wohnen übrigens 34.773 Menschen aus 115 Nationen. Vielleicht sollte man sich da gerecht für eine Sprache entscheiden, die keiner kann. Latein für alle im Kindergarten.

herr axel (Gast) - 10. Oktober, 12:31

latein als lebendige sprache für alle wäre ein fairer kompromiss. in der grundschule das kleine, in den aufbauenden jahrgängen das grosse latinum. und wer es nicht meistert, hat ja dank des herrn roland koch noch die chance, türkisch als fremdsprache zu lernen.dies hat er an den schulen ja künftig vorgesehen.

der beschluss der cdu über die deutsche fahne, das portrait unseres herrn bundespräsidenten und deutsch als einzig geduldete sprache in den kindertagesstätten dietzenbachs ist im übrigen am freitag abend im stadtparlament beschlossen worden. aus idee wurde realität. ich halte es wie petra pau (vizevorsitzende der bundestagsfraktion die linke): "künftig müsse jeder kreißsaal durch nationalflagge und präsidentenportrait geschmückt werden. sofern der urschrei der neugeborenen erkennbar deutsch klingt, ist er durch die nationalhymne zu weihen."

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