es ist schon etwas ganz besonderes in ihre strahlenden augen zu blicken. augen, die vor neugier strotzen. augen, denen aber auch gar nichts entgeht. ehrlicher können mich keine augen der welt ansehen, weil sich unehrlichkeit in das leben dieses menschen noch nicht eingeschlichen hat. und dann dieses lachen, das breit über das ganze gesicht strahlt und in mir ein atemberaubendes glücksgefühl entfacht. aufrichtiger kann mimik nicht sein, weil dieser mensch es noch nicht gelernt hat, mit aufgesetzten gesichtszügen zu täuschen. ich habe ja schon wiederholt von meinem patenkind geschwärmt. hier und jetzt dürfen sich meine leser selbst von der einmaligen schönheit meiner bezaubernden nichte überzeugen:
die ersten beiden zähne sind bereits zu sehen. die ersten worte werden schon versucht zu sprechen. die ersten stehversuche werden unternommen und es wird nicht mehr lange dauern, bis das laufen folgt. es ist schon etwas ganz besonderes, einem menschen zuzusehen, wie er sich von woche zu woche weiter ins leben entwickelt. wenn ich in die ehrlichkeit und reinheit blicke, die sich in den augen dieses kleinen menschen widerspiegeln, wird mir fast ein bisschen schwindlig. ich stelle mir vor, was für ein pralles leben noch auf diese beiden unschuldigen augen wartet.
das ausblasen der kerzen auf deiner geburtstagstorte. die ehrfurcht vor dem christkind. der stolz auf deinen ersten eigenen schulranzen und das seepferdchen. das spielen mit deinen freunden, die dir doch in der tat einreden wollen, dass du angst vor dem schwarzen mann haben sollst. das grosse zittern am zeugnistag. das husten nach deiner ersten heimlich gerauchten zigarette. das feilschen mit deinen eltern um jede viertelstunde, die du nach der party später heimkommen möchtest. der tägliche kampf mit deinem lehrer, der es auch in hundert jahren nicht lernen wird, dass es wichtiger ist, dem schwächsten schüler, über den die ganze klasse lacht, die hand zu reichen, als die binomische formel zu verstehen. das gebrochene herz nach deiner ersten grossen liebe. das unglaublich gute gefühl, sich in den armen deines besten freundes ausweinen zu dürfen. die einsicht, dass du nicht immer still sein kannst und widerstand manchmal wehtun muss. die erkenntnis, dass das leben mit einem bierglas vor dem fernseher nicht alles sein kann. die bereitschaft, verantwortung zu übernehmen und auch einmal den holprigen, den schweren weg zu gehen.
ich frage mich, ob dieses kleine zerbrechliche wesen nicht längst schon ahnt, was ihm noch alles bevorsteht, wenn es mich so frech angrinst, als wolle es mir sagen: nichts leichter als das.